Unveröffentlichte Episoden aus dem Reiche Himmelblau- Von Schnecken und Glühwürmchen

Schon seit Tagen brutzeln, backen, destillieren, pasteurisieren und gelieren Anton und Börge. In der Vorratskammer der Küche biegen sich bereits die Regale die voll sind mit den allerherrlichsten Köstlichkeiten. König Schnabelfroh hat nämlich Geburtstag und zwar einen Runden. Diesen Tag möchte er so quasi unter sich feiern. Eingeladen wurden natürlich die engsten Verwandten und seine Minister. Nur ein kleines Fest und keine rauschende Gala soll es werden. Trotzdem sind es achtzehn Personen und die wollen reichlich versorgt sein, denn die Feier geht den ganzen Tag über und beginnt bereits mit einem königlichen Frühstück. Schnabelfroh, huldvoll wie er ist hat bestimmt, dass sein Personal ebenfalls mitspeisen dürfte, allerdings etwas abseits der königlichen Gesellschaft. Also noch weitere acht Personen. Im Reiche Himmelblau ist natürlich Staatsfeiertag und es herrscht Ausnahmezustand, eben ein richtiges Volksfest so wie es im Buche steht und schon morgen ist der große Tag. Johannes von und zu Beere hat zu diesem Anlass den Garten meisterlich umgestaltet. Die festliche Tafel soll umringt sein mit den schönsten Hortensien in den Farben königsblau und natürlich rosarot. Dafür hat er gegraben, gepflanzt und wieder gegraben. Der Aufgang zur Eingangshalle ist bereits gesäumt von herrlichen weißen Rosen- und Malvenbüschen. Den Abschluss macht ein aus Weitenruten geformter und mit Efeuranken verzierter Torbogen der am Abend quasi eine Hauptrolle spielen soll. Denn als Geschenk für den König und als besondere Überraschung hat er sich etwas Außergewöhnliches einfallen lassen. Zu diesem Zweck hat er schon Wochen zuvor Laubstreu neben dem Rosatupffischteich ausgelegt und sich von einem Glühwürmchenzüchter Larven besorgt. Dort wachsen nun, versteckt unter der Laubstreu, die Larven heran und sollten genau morgen schlüpfen. Das hat ihm der Züchter versprochen und mit einem schriftlichen Zertifikat garantiert. Die will er einfangen und als krönenden Abschuss am Abend in den efeuberankten Torbogen setzen, als Beleuchtung sozusagen. Er ist fasziniert von seiner Idee, jedoch die Ausführung macht ihm noch etwas Gedanken. So in seine Ausführungen versunken erschrickt er als ihn plötzlich von hinten jemand anspricht. Adam Kuckuck, der herrschaftliche Bote, steht völlig atemlos und aufgeregt jetzt vor ihm. Er berichtet, dass er gerade von seinem französischen Kollegen informiert wurde, sich König Maxime von Dijon zum Fest angesagt hätte und morgen bereits zur Mittagzeit anreisen würde. Hastig fliegt Herr Beere in die königliche Voliere und hat in der Eile ganz vergessen seine Gartenschürze abzulegen. Er klopf heftig an der Tür des Arbeitszimmers und berichtet seinem König über den herrschaftlichen Besuch. Man kann sich gut vorstellen was nun hier los ist. Heide von Röschen muss fünf Zimmer vorbereiten, eines für König Maxime und vier für seine Begleiter, denn ein König reist immer mit einer vierköpfigen Entourage. Anton und Börge werden ebenfalls darüber unterrichtet, dass nun noch weitere sieben Esser zu versorgen sind. Nein Schnabelfroh hat sich nicht verzählt, sieben weitere Gäste, denn nun wird er auch Marga Ritte, die Reporterin der Klatschpresse „Die neue Vogelpost“ und ihren Fotografen Toto Graf einladen müssen, denn über so einen hohen Besuch soll und muss natürlich berichtet werden. Helle Aufregung herrscht im Hause Himmelblau. Rosaschnabel, Finnja und die Mädels wühlen in ihren Kleiderschränken, denn nur das Beste vom Besten muss morgen getragen werden. Anton und Börge überlegen währenddessen was sie denn nun noch zu Ehren des Königs von Dijon zubereiten könnten. Sie schicken nach Badiste von Oiseau, dem französischen Außenminister und Frankreichkenner, um sich von ihm beraten zu lassen. Escargots à L’Alsacienne, also Weinbergschnecken benannt nach dem französischen Landstrich Elsass, wären die Leibspeise des Königs und auf dessen Hof ein absolutes Must, erklärt er. Anton rauft sich die Federn, denn zum Schneckenjagen hatten die beiden nun wirklich keine Zeit. Sie rufen Friedrich und Balduin zu sich und bitten sie sich auf die Jagd zu begeben. Die beiden sind sichtlich erleichtert, denn die Vorbereitungen und das „Was-ziehe-ich-an-Getue“, nervt sie ungemein. Lieber tun was Männer so tun, auf die Jagd gehen. Ausgerüstet mit einem Korb fliegen sie zu der von Anton beschriebenen Stelle, denn dort sollen sich viele Weinbergschnecken täglich zum Mittagsmahl einfinden. Und wahrlich, schon einige Flügelschläge vorher deutet eine dicke Schleimspur auf das Angekündigte hin. Doch so leicht wie es sich die Burschen gedacht hatten ist die Jagd nun doch nicht. Die Schnecken scheinen nicht dumm zu sein, denn sie sind gegen etwaige Jäger gerüstet und haben sich einen Fluchttunnel gegraben. Nur mit äußerster Mühe und List können sie einige Schnecken fangen, beziehungsweise aus ihrem Versteck locken. Mit einem, nicht einmal halbvollen Korb, treten sie den Heimflug an und müssen wohl oder Übel Anton und Börge gegenüber zugeben, dass wohl Fischfang leichter ist als die Schneckenjagd. Peinlich berührt bitten sie die beiden den Vorfall gegenüber den anderen, besonders Florinda gegenüber, denn sie tratscht gerne, nicht zu erwähnen. Anton und Börge sind ziemlich amüsiert und bewahren trotz der geringen Ausbeute die Ruhe. Also gibt es eben nur Schnecken für Maxime, als besondere Ehre für dessen Besuch sozusagen und es wird keinem das kleine Missgeschick auffallen. „Man muss nur wissen wie man das Ganze präsentiert und argumentiert“, zwitschert Börge fröhlich und schnippelt seelenruhig sein Gemüse weiter. Am kommenden Morgen läuft alles am Schnürchen, herrliches Wetter, beste Speisen und eine fröhlich ausgelassene Gesellschaft. Der König von Dijon fühlt sich außerordentlich geehrt, dass ihm zu Ehren Escargots serviert werden. „Nur für mich, welch Ehre König Schnabelfroh, welch Ehre“, zwitschert er gerührt und schnabelt genüsslich die herrlichen Schnecken während die anderen ihn ob seiner eleganten Esstechnik bewundern. Das kleine Glühwürmchenmissgeschick am Abend, denn die Würmchen wollen nicht so wie Herr Beere es gerne gehabt hätte, ist nicht der Rede wert. Mit Oh`s. Ah`s und Beifall klatschend entschwinden die kleinen Tierchen glühend über den Köpfen der anwesenden Gesellschaft in den dunklen Nachthimmel. Marga Ritte kommentiert in der Neuen Vogelpost wie folgt: „das rauschende Fest endet mit einem glühenden, noch nie dagewesenen Sternenhimmel, der selbst König Maxime von Dijon zu Tränen rührte.“

Ünveröffentlichte Episoden aus den Reiche Himmelblau – Die neue Konditorei

Heide von Röschen ist heute schon früher aufgestanden. Sie hat sich gleich ihre bequeme Kleidung und ihre Turnschuhe angezogen, denn es geht wieder einmal mit den Mädels, Finnja und ihrer Hoheit, Königin Rosaschnabel, in die Hauptstadt zum Shoppen. Gähnend absolviert sie ein paar Dehnungsübungen bevor sie in die Küche zu Anton geht, um ihn um ein Kraftfrühstück zu bitten. Anton der bereits mit Börge der königlichen Familie und den Lappeenrantas das Frühstück serviert hatte, sitzt in der Küche und schält Äpfel für die „Tarte des pommes“, den französischen Apfelkuchen, den er den Herrschaften zum nachmittäglichen Snack reichen möchte. Das Rezept hatte ihnen Babtiste Oiseau von der letzten Reise aus Dijon mitgebracht. Fröhlich vor sich hin pfeifend entfernt er gekonnt mit seinem Schnabel die Schalen während Börge bereits den Teig zubereitet. Heide, die so viel gute Laune an so einem Tag sehr schlecht vertragen kann, herrscht sie missmutig an. Die beiden jedoch, die Heides Shoppingabneigung kennen, wissen was in so einer Situation zu tun ist. So meint Anton beruhigend, „Heidchen, Du siehst aber herzallerliebst aus in Deinem neuen Jogginganzug und der passt ja ausgezeichnet zu Deinem blauen Hütchen. Komm setz Dich doch, ich mach Dir etwas Leckeres.“ Heide von Röschen setzt sich geschmeichelt von Antons Worten und klopft nervös mit ihren Flügeln auf den Küchentisch. Während Anton ihr ein Frühstück bereitet eilt Börge in die Vorratskammer. Auch er weiß genau was gegen Röschens Nervosität hilft und holt eine Flasche Kir Royal den die beiden, nur für Notfälle, vom königlichen Vorrat abgezweigt haben und schenkt ihr ein Gläschen ein. „Liebstes Röschen“, säuselt er beschwichtigend, „nehmen sie doch ein Schlückchen, das hilft ungemein“, „und hier das Maistöstchen mit frischer Erdbeermarmelade passt ausgezeichnet dazu und schmeckt vorzüglich“, zwitschert Anton und stellt ihr das Dargebotene direkt unter den Schnabel. Heide trinkt ein Schlückchen und schnabelt schlechtgelaunt den Toast. „Ach du meine Güte“, zwitschert sie erregt, „das kann ja heute wieder etwas werden, ich kenn das schon. Von einem Geschäft in das andere, Tüten über Tüten und Taschen über Taschen. Wenn da nicht mein allerliebster Rupertus wäre, dann hätte ich diesen Job bereits an den Nagel gehängt. Das ist ja eine Zumutung und das mir, in meinem Alter.“ Sie trinkt das Gläschen Kir Royal in einem Zug leer. Börge füllt vorsorglich das Gläschen wieder auf und Anton stellt ihr einen weiteren süßen Toast vor den Schnabel. „Ich sehe es schon vor mir“, blubbert Heide weiter, „zuerst zu „Charles le Main“, um die neueste Taschenlieferung zu begutachten und natürlich auch zu kaufen, dann ins „Neue Federkleid“ und ins „Vollschlankvögelchen“ für Finnja etwas Tolles kaufen und, und, und.“ Heide hat sich in Rage gezwitschert und das zweite Glas bereits ausgetrunken. „Danke, dass Ihr mir zugehört habt“, tiriliert sie jetzt etwas beruhigt und verlässt leicht beschwipst die Küche. Anton und Börge bleiben lächelnd zurück und widmen sich wieder der Zubereitung ihres Kuchens. Währenddessen sind die Mädels, Finnja und Rosaschnabel bereits Abflugbereit und warten schon ungeduldig in der Eingangshalle auf Heide von Röschen. Mit einem hastigen „Ihre königliche Hoheit, stehts zu Diensten“, eilt Heide zu der Shoppingtruppe und los geht es in die Stadt. Röschen hat natürlich recht behalten und die Shoppingabfolge ist so wie sie es sich ausgemalt hatte nur, dass zwischendurch auch noch im Schönheitssalon „Miss Pinkiatessa“ rosa Schnabelbalsam, passender Krallenlack und Federfarbe eingekauft wird. Beladen mit jeder Menge Einkaufstüten und Taschen hastet sie den Shoppingfreudigen hinterher. Als sie dann auch noch den neuen Eissalon betreten, bittet sie Königin Rosaschnabel sich einstweilen entfernen zu dürfen, um sich bei ihrem Rupertus von der schweren Last zu befreien. Sie fliegt eine Straße weiter und betritt die Apotheke ihres Angebeteten, der ihr liebevoll die Tüten abnimmt und ihr sanft über den leicht transpirierenden Schnabel streicht. „Mein kleines Röschen, setz dich doch, Du bist ja ganz außer Atem“, raunt er ihr ins Ohr und bringt ihr ein Gläschen Apothekerrum zur Stärkung. „Kleines, probiere doch meine neueste Erfindung. Den Trunk habe ich letzte Woche mit kräftigenden Kräutern wie Rosmarin, Weißdorn und Ginkgo frisch in hochprozentigem Rum, zwecks der Haltbarkeit, angesetzt, das wird Dich stärken.“ Heide von Röschen trinkt, schüttelt ihre Federn und fühlt sich tatsächlich viel besser. Während sie sich bei Rupertus etwas erholt und sich mit flüssigen Kräutern labt, sind die anderen im neuen Eissalon, dessen Name „Seulement le meilleur“, was so viel heißt wie „Das Allerbeste“, das Versprochene auch hält. Köstlichkeiten über Köstlichkeiten. Ganz besonders fasziniert sind die Mädels über die dreistöckige Torte, die ganz in rosa Zuckerglasur eingehüllt und mit zarten weißen Perlen verziert ist. Die müssen sie unbedingt haben und mit Engelstönen flöten sie Rosaschnabel solange ins Ohr bis sie sich erweichen und die Torte einpacken lässt. Tarja hat ja bald Geburtstag, hatte Florinda gemeint, und das hat schlussendlich Rosaschnabel überzeugt und dazu bewegt die Torte zu kaufen. Als nun Heide von Röschen, ziemlich beschwipst vom morgendlichen Kir Royal und dem Apothekerrum mit Rupertus zurückkommt, ist die Torte bereits in eine Schachtel verpackt und mit einer Trageschnur versehen. Rupertus vollgepackt mit Tüten, Heide von Röschen mit der Tortenschachtel geht es zurück zur königlichen Voliere. Rupertus fliegt ganz hinten, um sein Röschen im Blick zu haben, denn das schlechte Gewissen plagt ihn jetzt doch ein klein wenig. „Der Apothekerrum dürfte wohl etwas zu stark ausgefallen sein“, denkt er und betrachtet sein Röschen die in leichten Schlangenlinien vor ihm hin und her fliegt. Sie haben erst die Stadt hinter sich gelassen als Heide von Röschen spürt, dass ihr heute das Fliegen mit der Last besonders schwerfällt. Ein leichter Schwindel befällt sie und sie kommt ins Trudeln. Trotz aller Bemühungen gegenzusteuern geht es abwärts und sie landet bäuchlings auf dem Tortenkarton liegend, der unter ihrer Last aufgeplatzt ist, in einem Himbeerstrauch. Rupertus eilt ihr zur Hilfe und pfeift den anderen zu anzuhalten. Heide von Röschen ist untröstlich. Die rosa Tortenglasur klebt auf ihrem neuen blauen Trainingsanzug und einige Zuckerperlen haben sich in ihren Flügeln verfangen. Beschämt sieht sie an sich hinunter und entschuldigt sich völlig geknickt bei Rosaschnabel, die nur lächelnd meint, dass sie so als Modetrendsetterin durchaus Furore machen könnte. Die Mädchen machen sich freudig über die Torte her und schnabulieren den Rest. „So viel Spaß und Spannung steckt nicht einmal in einer Kinderüberraschung“, trällert Tarja fröhlich. Rupertus serviert währenddessen Finnja und Rosaschnabel noch ein Gläschen Apothekerrum, den er als Geschenk für die königlichen Herrschaften mitgenommen hatte, genehmigt sich selber einen Schluck und leicht beschwipst fliegen sie zurück zur Voliere wohlweislich den Hintereingang nehmend, damit keiner am Hof die durchaus fröhliche Gesellschaft bemerken kann.

Unveröffentlichte Episoden aus dem Reiche Himmelblau 6

Die Reichsapfelernte – Empfang im Städtchen „Weitweg“

Die Sonne geht über den Palmen der kleinen Oase auf. Birger brütet bereits über der Karte und studiert die Reiseroute, denn es gilt noch ein kleines Stück Wüstenlandschaft zu überfliegen und berechnet genauestens die Reisezeit. Gestern war es spät geworden, denn Baron Wangenrot war mächtig am Feiern seiner, wie er meint, Wiedergeburt und war nicht zum Schlafen zu bewegen. Um keine neuerlichen Überraschungen zu erleben war Birger aufgeblieben, um etwaig Gröberes zu verhindern. Wangenrot war ziemlich in Fahrt gewesen und erzählte mit überschwänglichen Gesten und ausgesprochen ausführlich sämtliche für ihn wichtigen Ereignisse bis hin zur Jugendzeit und dabei flossen nebst Mangosaft auch jede Menge Hirsebier und Palmwein. Baron Wangenrot, der als Apfelmeister das brennen von Apfelschnaps gelernt hat, ist offensichtlich einiges an Alkoholischem gewöhnt, denn er wurde absolut nicht müde. Erst weit nach Mitternacht konnte er den Baron dazu überreden sein Nachtlager aufzusuchen. Jetzt schläft er wie ein Baby und klappert leise beim Ausatmen mit dem Schnabel, ein untrügliches Zeichen für tiefsten Tiefschlaf. Birger packt in den jetzt leeren Rucksack Wangenrots jede Menge Wasser und viel Obst für den Flug über die Wüste. Er beschließt den Rucksack selber zu tragen, denn Wangenrot wird erstens nach der durchwachten Nacht und dem Bierkonsum nicht in der Lage sein und zweitens möchte er so eine Situation wie gestern nicht aufs Neue heraufbeschwören. Friedrich, Balduin und Herr Beere sind nun ebenfalls wach. Frisch und vergnügt scharen sie sich um eine lange Tafel, die bereits von den Oasenbewohnern für die königlichen Herrschaften reich gedeckt wurde. Nur Baron Wangenrot schläft noch und klappert vor sich hin. Birger rüttelt ihn unsanft und hält ihm ein Glas frischen, mit Kräutern angereicherten und stark riechenden, Tomatensaft unter den Schnabel. Blitzartig öffnet er die Augen, denn der Geruch steigt ihm beißend in die Nase. „Aufstehen, Herr Baron, es ist Zeit zum Frühstücken, wir fliegen gleich“, pfeift Birger ihm laut entgegen. Baron Wangenrot schüttelt seine Federn und krächzt müde, „nicht so laut, etwas Kontenance und Rücksicht würde ich mir von Ihnen schon erwarten, wo ich doch gestern den Absturz nur knapp überlebt habe.“ Er hält sich wehklagend seinen Kopf und setzt sich zu den anderen. „Ich bekomme so früh am Morgen noch keinen Bissen hinunter“, konstatiert er gähnend und probiert den Tomatensaft. Heftig prustend und spuckend stellt er das Glas beiseite und meint, ein Glas Wasser würde ihm heute Morgen genügen, denn er wäre noch satt von gestern. Alle staunen nicht schlecht, denn Baron Wangenrot ist bekannt dafür, dass er sehr gerne und reichlich isst. Nur Birger versteht und blickt ihm wissend in die Augen worauf der Baron errötet und zum Abflug drängt. Sie bedanken sich für die Gastfreundschaft, verabschieden sich von ihren neuen Freunden den Störchen und verlassen die Oase in Richtung „Weitweg“. Der heiße Sandwind bläst ihnen unerbittlich in die Gesichter und die Luft flirrt vor Hitze, doch noch sind sie gestärkt und die Aussicht auf Weitweg beflügelt. Zügig geht die Reise weiter und auch Baron Wangenrot hält das Tempo, obwohl ihn Birger manchmal leise ächzen hört. Die Wegstrecke über die Wüste ist nicht sehr lang, denn bereits zu Mittag werden sie die Ausläufer erreicht haben und in der Steppenlandschaft ihre erste Rast abhalten. Baron Wangenrot, der während des Fluges reichlich Wasser getrunken hat ist froh als er schon von Weitem die Steppenlandschaft erspäht, denn er hat eine Pinkelpause dringend nötig und es regt sich auch schon mächtig der Hunger. Birger, der das Magengrimmen deutlich hören kann, ist ebenfalls glücklich gleich den Rastplatz erreicht zu haben, denn einen neuerlichen Kollaps des Barons würde er nicht verkraften können. Reichlich verschwitzt und hungrig erreichen sie das Steppenland und unter einem Bäumchen machen sie Rast. Baron Wangenrot stürzt sich hungrig auf die exotischen Köstlichkeiten und frisch gestärkt doziert er, nicht ohne reichlichen Ausschmückungen, über seinen gestrigen Überlebenskampf. Birger, der gestern ohnedies sämtliche Varianten des Wüstendesasters mitanhören musste, ist genervt und zieht sich, die Karte studierend, von der Gruppe zurück. Die anderen stärken sich ausgiebig und die Burschen lachen schallend über die Anekdoten Wangenrots, nur Johannes von und zu Beere schweigt und denkt sich seinen Teil. Anschließend geht es weiter und das Ziel, das Städtchen „Weitweg“ würde bald erreicht sein. Aufgeregt fliegen sie rasch und ohne Unterbrechung weiter. Es ist früher Nachmittag als ihnen bereits der Wind einen frischen Apfelduft in ihre Nasen weht. Weitweg, die Stadt der Reichsapfelproduktion, liegt vor ihnen, eingebettet in eine Mulde und umringt von herrlich duftenden Apfelbäumen. Zahlreiche Apfelpflücker aus allen Herren Ländern sind emsig bei der Apfelernte. Fasziniert fliegen sie in die Stadt und unverzüglich zum Apfelbüro. Dort erwartet sie schon Adam Kuckuck und der Vogelmeister der Stadt. Das war ein Hallo und ein Flügelgeklopfe. Adam Kuckuck ist sichtlich erleichtert die königliche Reisegesellschaft wohlauf begrüßen zu können. Der Vogelmeister zeigt ihnen ihre Quartiere, die äußerst standesgemäß hergerichtet wurden und bittet sie sich auszuruhen, denn am Abend sei ein großes Fest zu ihren Ehren geplant. Baron Wangenrot, überaus glücklich sich etwas hinlegen zu können, verschwindet sofort in seinem Zimmer. Die Burschen mischen sich währenddessen unters Volk und zeigen ihre Flügelballkünste. Übermütig jonglieren sie zwischendurch mit Äpfeln und Reifen und werden von den Zuschauern ausreichlich mit Applaus bedacht. Man muss über den Prunk, das köstlich delikate Mahl, den reichlichen Ovationen, nicht viele Worte verlieren, denn man kennt ja die rauschenden höfischen Feste. Nicht nur Baron Wangenrot war äußerst entzückt, gerührt und begeistert über das Dargebotene. So geht eine äußerst abenteuerliche Reise seinem Ende zu und die Apfelernte kann beginnen.

Unveröffentlichte Episoden aus dem Reiche Himmelblau 5

Die Reichsapfelernte – Heißer Wüstensand

Die Nacht in Felsland war angenehm kühl und die königliche Reisegesellschaft ist früh morgens, nach einem kleinen Frühstück aus Wangenrots Rucksack, gestärkt losgeflogen. Sie haben die Berge bereits hinter sich gelassen und die Landschaft, die anfänglich noch grün war, wechselte in trockenes Steppenland. Birger hatte noch am Vorabend alle Flaschen mit frischen Wasser aus dem Bächlein gefüllt, denn auf der Karte war kein Fetzelchen mit Blau eingezeichnet und das bedeutet, kein Wasser weit und breit. Schwitzend fliegen sie nun über gelben Sand und selbst der Wind ist heiß und sandig. Baron Wangenrot, beladen mit zwei Rucksäcken, jammert leise, mit geschlossenen Schnabel, denn der hasst Sand zwischen seinen Zähnen, vor sich hin. Er schwitzt so, dass kleine Rinnsale über seinen heißgeliebten Proviantrucksack laufen. Johannes von und zu Beere hat sich sicherheitshalber seinen Zylinder auf den Kopf gesetzt, um sich vor der Sonne schützen zu können. Selbst die Jungs scheinen unter der Hitze zu leiden, denn ihr ansonsten lustiges Gezwitscher ist schon seit einiger Zeit verstummt. Birger nimmt die Karte aus seiner Rucksacktasche. Noch ungefähr zwei Stunden, dann werden sie die in der Karte mit grün und blau eingezeichnete Fläche erreicht haben. Das ist eine Oase, hatte ihm Baron Wangenrot am Vorabend erklärt und dort gibt es Wasser und etwas zu Essen, dozierte er besserwisserisch. Zwei Stunden, das scheint selbst Birger, der ein guter Flieger ist, noch ein weiter Weg zu sein, denn die Hitze setzt allen mächtig zu. An eine Rast ist auch nicht zu denken, denn der Sand ist zu heiß und es bestünde die Gefahr sich beim Setzten die Schwanzfedern zu verbrennen. Zu Gefährlich, reüssiert Birger und versucht mit kleinen Pirouettendrehungen, seinen Mitstreitern Fröhlichkeit vorzugaukeln. Baron Wangenrot, dem Birgers Flugvorführungen zuwider sind, denn er selbst ist einem Kollaps nahe, fliegt nun ächzend und schnaubend an Birger vorbei, um sein Getue nicht mitansehen zu müssen. Das dürfte für Baron Wangenrot wohl zu viel gewesen sein, denn er stürzt kopfüber nach unten, landend bäuchlings auf seinem Proviantrucksack im Sand und strampelt hilflos mit seinen Beinen. Geschockt blicken alle ratlos nach unten. Birger, der als Erster wieder einen klaren Gedanken fassen kann, fliegt zu ihm hinunter und versucht unter heftigem Geflatter und Gezerre am hinteren Rucksack, Baron Wangenrot zum Aufstehen zu bewegen. Doch da fällt ihm ein, dass dies ja keine gute Idee sei und denkt wieder an die Schwanzfedern. Er winkt die anderen herbei und nun ziehen alle, unter dem Kommando von Birger, an seinem Rucksack. Hauruck, Hauruck, Hauruck, doch Wangenrot ist zu schwer und er selbst zu entkräftet, um bei dieser Aktion mithelfen zu können. Birger befiehlt allen ihre Rucksäcke abzuwerfen und sich auf diese zu setzen, denn das wäre die einzige Möglichkeit dem heißen Sand zu entgehen, ruft er ihnen mit letzter Kraft zu. Gesagt, getan. Nun sitzen alle völlig entkräftet auf ihrem Gepäck und Johannes von und zu Beere, der bei der Rettungsaktion seinen Zylinder verloren hat, schaut diesem völlig verwirrt nach, wie er nun fröhlich hüpfend vom Winde wegetragen wird. Birger lässt eine Flasche Wasser durch die Runde gehen, es ist die Letzte und würde sie nicht mehr lange versorgen können. An Essen ist auch nicht zu denken, denn Baron Wangenrot liegt ja bäuchlings darauf, also was nur tun? Gedankenverloren, Horrorszenarien spielen sich in ihren Köpfen ab, verharrt die Gruppe sich nicht rührend auf ihren Rucksäcken, als plötzlich ein lautes Gekrächze aus der Ferne zu hören ist. Schon von Weitem sehen sie eine kleine Schar Vögel auf sich zukommen. Baron Wangenrot, der aus seiner Position nichts sehen kann, zittert vor Angst. Mit letzter Kraft Zwitschernd, versuchen sie auf sich aufmerksam zu machen und es gelingt, denn die Vogelgruppe dreht ab und landet neben ihnen im Sand. Es sind Störche, die gerade am Weg in den Süden sind und denen, Himmel sei Dank, der heiße Sand nichts ausmacht. Johannes von und zu Beere, der in seinem Gartengestaltungslehrgang den Storch Adebar kennenlernen durfte und dadurch etwas storchisch krächzen kann, weist sie auf ihre missliche Lage hin. Alle staunen nicht schlecht, als sie dazu angehalten werden sich mitsamt ihrem Gepäck auf deren Rücken zu setzen. Friedrich und Balduin dürfen auf den Rücken des Anführers der Gruppe. Baron Wangenrot wird einfach am Rucksack geschnappt und schnablings getragen. Da er noch immer nichts gesehen und die Sprache überhaupt nicht verstanden hat, wehrt er sich flügelschlagend und man sieht am Rot seiner Wangen, dass er schreckliche Angst hat. Birger erklärt ihm noch im Abflug die Situation und schon sind sie alle in luftiger Höhe. So hoch war bislang noch keiner von ihnen geflogen. Friedrich und Balduin, die sich an der Spitze der Gruppe befinden, zwitschern fröhlich am Rücken des Anführers hüpfend. Baron Wangenrot hängt kleinlaut am Schnabel seines Storches und schließt vorsichtshalber seine Augen, denn es ist ihm vor Hunger und Höhenangst bereits schlecht geworden. Nach einigen Flugminuten sieht Johannes von und zu Beere ganz unten und ganz klein ein kleines hüpfendes grünes Ding und weiß, dass dies sein Zylinder ist. Missmutig blickt er hinunter und denkt an Florenz, an das schöne Geschäft, die nette und hübsche Bedienung die ihm diesen Hut empfohlen hatte und kleine Tränchen kullern ihm über den Schnabel. Doch da, einer der Störche löst sich aus dem Verbund und fliegt im Sturzflug nach unten, dem Hut hinterher. Er ergreift ihn flugs und bringt ihn zu Herrn Beere, der vor Rührung und Freude weitere Tränchen vergießt. Es dauert keine zwei Stunden, denn die Störche sind erfahrene Langstreckenflieger, erreichen sie die Oase, deren herrliches Grün schon von Weitem zu sehen und deren Duft förmlich zu Riechen war. Man kann sich die Freude vorstellen, als sich die fünf Bruchpiloten sogleich ins herrliche Nass stürzen. Sogar Baron Wangenrot verliert kurzzeitig seine höfische Kontenance und plantscht vergnügt im kühlen Strahl des Wasserfalls. Anschließend laden die Störche zum Diner und das ist sehr gut, denn der Proviant in Wangenrots Rucksack hatte sehr unter seiner Last gelitten und alles, außer die Gläschen mit Marmelade, Pesto und Antipasti, ist völlig zermanscht. „Vorzüglich, delikat, aromatisch, ein kulinarischer Hochgenuss“, schmettert Baron Wangenrot, mit herrlich kühlem Mangosaft zuprostet, in die Runde. „Ein wahrlich königliches Diner“, tiriliert er freudig und verschenkt seine köstlichen Gläschen huldvoll an ihre Retter.

Unveröffentlichte Episoden aus dem Reiche Himmelblau 4

Die Reichsapfelernte – Der Flug über die Berge

Die königliche Reisegesellschaft hat die Grenzen des Reiches Himmelblau verlassen und unter ihnen liegt nun Dragoland. Riesige Mammutbäume, Sumpflandschaften in denen sich Krokodile in der Sonne aalen und kleine Teiche mit außergewöhnlich bunten und bizarren Fischen. „Na, Herr Birger“, meint Baron Wangenrot von oben herab, „das wäre wohl weder ein guter Lagerplatz, noch ein entsprechendes Jagdrevier gewesen. Hier wären wohl Sie der Gejagte und wohl kaum der Jäger.“ Birger nickt und ist froh. „Es sind nicht die großen Drachen die hier gefährlich sind, denn diese sind Vegetarier, es sind die Kleinen die einem gefährlich werden könnten“, erklärt er weiter. Friedrich und Balduin müssen unweigerlich an ihre sonderbare Begegnung beim Jagen des Geburtstagsblaustreifenfisches für ihre Mutter denken, denn da hatten sie zum ersten Mal einen Drachen gesehen. Er war es, der ihren Streit um den Fisch geschlichtet hatte indem er ihnen einen Zweiten schenkte. Noch nie haben die beiden über dieses Ereignis gesprochen, denn sie hatten Bedenken, dass ansonsten ihre Mutter sie aus Sorge nicht mehr aus der Voliere lassen würde. Sie blicken sich an und ihre Blicke sagen, dass dies auch weiterhin so bleiben sollte. Hinter Dragoland erheben sich hohe Gebirgsmassive die teilweise mit Schnee bedeckt sind. „Felsland“, stottert Birger, denn noch nie hatte er die großen Felsen gesehen. Er kennt sie nur aus Erzählungen seines Großvaters, der ein großer Abenteurer war und vor vielen, vielen Jahren eine Nacht mit den Bergdohlen bei eisiger Kälte am Gipfel eines dieser Berge zugebracht hatte. Er hätte nicht überlebt, erzählte er theatralisch, wenn ihn nicht die Bergdohlen sprichwörtlich unter ihre Fittiche genommen und ihn somit gewärmt hätten. An dieser Stelle zeigte ihm sein Großvater immer seinen linken Fuß, an dem eine Kralle fehlte, die ihm in dieser Nacht abgefroren war. Birger schüttelt sich, um sich von den Gedanken an Großvaters Erlebnisse zu befreien. Die Sonne steht bereits tief und bald würde sie hinter dem kleineren der Felsgipfeln verschwinden. Sie hatten bei der letzten Rast Zeit verloren und so werden sie wohl oder übel hier in der kargen Landschaft nächtigen müssen, denkt sich Birger und es gruselt ihm leicht bei dem Gedanken und auch, weil hier kein Teich in seiner Karte eingezeichnet ist. Baron Wangenrot, der den Weg schon einmal geflogen war, lästert und meint zynisch, was es denn heute Abend wohl zum Schnabulieren geben würde, denn er hätte keine Lust auf Flechten und Moos, da er kein Vegetarier sei. Birger ist etwas ratlos, fliegt aber unbeirrt weiter. Bei einem Felsvorsprung, den er als Nachtlager auserkoren hat, landen sie. Johannes von und zu Beere, der das schwerste Gepäck zu tragen hat, stöhnt leise und legt sorgsam den Rucksack mit dem vermeidlich königlichen Inhalt in eine Felsmulde und seufzt dabei erleichtert. Die Jungs, unbeirrt und durch ihr tägliches Training wohl körperlich sehr trainiert, nehmen ihre, von Florinda sorgsam bemalte Fischblase, und spielen zur Entspannung etwas Flügelball. Baron Wangenrot, müde und hungrig, bezieht sein Lager neben Herrn von und zu Beere in der Hoffnung, doch noch an seinen Rucksack zu kommen. Hungrig blickt er in seine Richtung und es läuft ihm dabei unwillkürlich das Wasser im Schnabel zusammen. Birger hingegen sucht die Umgebung nach Essbaren ab, immerhin ist er der Jäger und sollte dafür sorgen, dass immer genug Fisch auf den Tisch kommt. Unweit der Lagerstätte entdeckt er ein kleines Rinnsal, das über die Felsen gurgelt. Erleichtert, denn das verspricht Fisch, landet Birger am Ufer. Doch es ist weit und breit kein Fisch zu sehen. Birger, der sehr aufmerksam ins Wasser starrt, entdeckt eine Bewegung hinter einem kleinen Felsen. Flusskrebse tummeln sich hier und Birger ist erleichtert. Er schnallt sich den Rucksack vom Rücken, den er in weiser Voraussicht bereits beim Lager entleert hatte, und pickt flink, denn Krebse sind nicht dumm, einen nach dem anderen aus dem Wasser und verstaut sie im Rucksack. Mit reichlicher Beute fliegt er und das sehr schnell, denn die Krebse zwicken ihn ziemlich unangenehm in den Rücken, zurück zum Lager. Johannes von und zu Beere hat noch kein Feuerchen gemacht, denn auch er rechnete nicht mit Beute. Sein Magen hatte sich schon auf „Korvapuusti“ eingestellt. Als er Birger beladen ankommen sieht, beginnt er die Feuerstelle einzurichten und rasch ein Feuerchen zu entfachen. Baron Wangenrot, hungrig und neugierig, inspiziert sogleich den Rucksack. Er kann gar nicht so schnell reagieren und schon hat sich ein Krebs an seinem Schnabel festgezwickt. Auch heftiges schütteln und rütteln hilft nichts, der Krebs hängt fest. Herr von und zu Beere muss eingreifen, um ihn von seiner misslichen und lächerlichen Lage zu befreien. Alle krümmen sich vor Lachen und Baron Wangenrots Gesichtsfarbe verändert sich, wie sein Name schon sagt, in ein tiefes Rot. Das ist ihm außerordentlich zuwider und er verzieht sich peinlichst berührt in eine Ecke des Felsvorsprungs. Friedrich und Balduin holen mit einem Blechtopf Wasser vom Bächlein und Birger kocht darin die Krebse. „Ah, dazu würde ein Maisbrötchen mit Basilikumaufstrich und Erdbeergelee als süße Note vortrefflich schnabeln“, denkt schwärmerisch Baron Wangenrot und wirft schmachtende Blicke zu seinem Rucksack. Diese Blicke und sein lautes Magenknurren sind dem aufmerksamen Herrn Beere nicht entgangen und er schaut seinerseits in Richtung Rucksack. Als sich die Blicke der beiden treffen versteht Herr von und zu Beere allzu gut, was er denn die ganze Zeit schwerlich mittragen musste. Wangenrot, der sich ertappt fühlt, senkt seinen Blick und seine Wangen erglühen wieder im tiefsten Rot, womit er seine Vermutung bestätigt sieht. „Na gut Baron, zeigen sie uns den Inhalt Ihres Rucksackes“, zwitschert leicht erbost jedoch die höfische Kontenance nicht verlierend, Herr Beere. Langsam schleicht Wangenrot zum Rucksack und stellt ihn in die Mitte der erstaunten Runde, die von dem Vorgang nichts mitbekommen hat. Wangenrot öffnet ihn und zaubert daraus die herrlichsten Köstlichkeiten. Erleichtert lachen alle, klopfen ihm auf die Schulter und freuen sich. Baron Wangenrot, der seine Fassung wiedererlangt hat, meint nur trocken, „ich habe eben vorgedacht und mit Weitblick vorgesorgt.“ Alle schütteln sich vor Lachen, laben sich an dem herrlichen, fast schon königlichen Mahl und sind glücklich und zufrieden. Nur Baron Wangenrot nicht, denn die Blicke von Herrn Beere sagen ihm allzu deutlich und unmissverständlich, dass er ab morgen seinen Rucksack werde selber tragen müssen und das schmerzt ihn zutiefst.

Unveröffentlichte Episoden aus dem Reiche Himmelblau 3

Die Reichsapfelernte – Unerwartete Herausforderungen

Zur Mittagszeit hat die königliche Fluggemeinschaft bereits die Grenze des Reiches Himmelblau erreicht und Birger, der gemeinsam mit Baron Wangenrot die Spitze der Schar übernommen hatte, denn er besitzt ja den Flugplan und Wangenrot vermeidlich die Kenntnisse der Route, setzt zur Landung an. Eigentlich wollte er erst beim Drachenfischteich im angrenzenden Dragoland halt machen, um die Gruppe mit frischem schmackhaften Schlammhimmelsguckern und Krokodilzahnfischen zu versorgen, doch Baron Wangenrot, dem erstens der Magen bereits unglaublich knurrt und zweitens auch wähnt, dass es dort viel zu gefährlich sei, veranlasst Birger noch in heimatlichen Gefilden die erste Rast abzuhalten. Leider ist kein Teich weit und breit in Sicht und Birger holt für die erste Stärkung die „Korvapuusti“, die ihm Finnja dankenswerterweise noch am Morgen zugesteckt hatte, aus seinem Rucksack. Friedrich und Balduin schnabeln mit Freude das herrliche Zimtgebäck und während noch Baron Wangenrot und Johannes von und zu Beere über die schlechte Versorgung mosern, haben die Burschen sich einen Fischblasenball geschnappt und trainieren ihr Flügelspiel. Schließlich dient dieses ja als Sicherheits- und Geschicklichkeitsübung für die richtige Handhabung des Reichsapfels. Baron Wangenrot der zu gerne einige Köstlichkeiten aus seinem geheimen Gepäck schnabuliert hätte ist ungehalten ob der Situation, keinen ordentlicher Fisch zu bekommen und ebenso, dass kein Herankommen an seinen Rucksack möglich ist, denn diesen hat ob der Wichtigkeit des vermeidlich königlichen Inhaltes, Johannes von und zu Beere unter seine Fittiche genommen. Das bedeutet somit auch, kein ordentliches Mittagessen in unmittelbarer Sichtweite. Birger, der die Position als Rotstreifenfischoberfangmeister innehat, er hatte sich in der Nacht zuvor die Wegstrecken zu den Fischteichen berechnet und seine Versorgungsstellen peinlichst genau notiert, ist mit dieser Situation leicht überfordert. Griesgrämig betrachtet er seinen Reiseplan und beschließt sich auf den Weg zum Fluss, der hundertfünfzig Flügelschläge entfernt das Land der Grüngefiederten durchquert, zu machen, um dort sein Glück zu versuchen. Rasch leert er seinen Rucksack, denn diesen benötigt er zum Fischtransport und macht sich auf. Bald hat er den Fluss erreicht und hält Ausschau nach Fischen. Gut, dass er in diesem Land aufgewachsen ist und in seiner Jugend in Flüssen zu fischen gelernt hat, jedoch es fehlt ihm etwas an Übung. Währenddessen warten Baron Wangenrot, dessen Magen bereits so laut knurrt das eine Unterhaltung fast unmöglich macht, und Herr von und zu Beere ungeduldig auf seine Rückkehr. Die Burschen üben unermüdlich ihr Flügelspiel und stellen sich schon richtig geschickt an. Das Training mit Baron Schwingenschlögel und die Übungen mit den Lappeenranta-Drillingen haben sich bezahlt gemacht, reüssiert Johannes von und zu Beere, auch wenn er leidvoll an die Fischblasenfetzen die unschön die Eingangshalle zierten, denken muss. Birger, der nach einigen misslungenen Anläufen nun den ersten Schrätzer und gleich darauf einen Zingel, beides schmackhafte Flussfische, fangen konnte ist motiviert und sein Jagdtrieb läuft nun auf Hochtouren. Mit vollem Rucksack, etwas zerzaust aber absolut stolz, fliegt er zurück zu seiner hungrigen Truppe. Baron Wangenrot, der sich doch dazu herabgelassen hatte ein Zimtbrötchen zu essen, denn es war ihm schon leicht schlecht geworden, liegt in bequemer Seitenlage als Birger mit seinem Fang zur Gruppe stößt. Gut, dass Herr Beere bereits geistesgegenwärtig eine kleine Feuerstelle gebaut und ein Feuerchen entfacht hatte, denn so kann es gleich an die Zubereitung gehen. Auf vorbereiteten Zweigen werden die Fische gespießt und anschließend als Steckerlfisch serviert. Die kleine Campinggruppe labt sich königlich am reichlichen Fang, nur Baron Wangenrot ist nicht ganz zufrieden über das Mahl da es ihm an Beilagen mangle, meint er und denkt verdrossen an seinen Proviant der für ihn so unerreichbar geworden ist.

Kurzgeschichte aus meinem Buch „Beonimus Rabenbein“ Klatsch und Tratsch

Gunther Bunt und Fidi Ralla

Auf einer Waldlichtung, im Erlenwäldchen nahe von Nürnberg, gehen die Arbeiten am neuen Musiktheater rasch voran. Frau Theaterdirektorin Hella von Wahnsinn hat vor einem Jahr das alte, schon sehr in die Jahre gekommene Theater übernommen und beschlossen, es auf den neuesten Stand zu bringen. So musste die Bühne vergrößert und im Zuge dessen ein neuer Schnürboden installiert werden. Minimum zehn verschiedene Bühnenbilder müssen abseits der Drehbühne, die ebenfalls neu gebaut wurde, möglich sein. Neue Scheinwerfer und Bühnentechnik sowieso. Und weil sie schon dabei ist, wurden auch noch die Zuschauertribünen erweitert und neue, mit goldenem Brokat überzogene Theatersessel besorgt und eingebaut. Ein Orchestergraben darf auch nicht fehlen, denn wenn man schon in der Nähe von Nürnberg ein Theater führen darf, sollte unbedingt auch die Möglichkeit für Opernaufführungen gegeben sein, meint Hella. Zwei Monate vor Eröffnung startet Hella von Wahnsinn einen Aufruf an alle Vögel des Waldes. Ein neuer Name muss gefunden werden, denn sie findet den alten Namen, Orpheum unterm Erlenbaum, ziemlich abgeschnabelt. In Verbindung mit einem Preisausschreiben, ist das auch die beste Werbung für das neue Musiktheater, denkt sich Hella, denn sie hat schon fast das gesamte Budget ausgegeben. So beauftragt sie den bekannten Countertenor Russel Nightingale, er beherrscht 260 unterschiedliche Zwitschertypen von benachbarten Vögeln, zum Wettbewerb aufzurufen. Als Gewinn winken zwei Eintrittskarten für die Neueröffnung und den Saisonstart. Gespielt wird natürlich standesgemäß „Die Meisterzwitscherer von Nürnberg. Hella von Wahnsinn hat eine Jury aus Vogelgrößen der Bereiche Werbung, Kunst, Kultur, Musik und Politik zusammengestellt. Auch der Vogelscharmeister, als großer Unterstützer des neuen Musiktheaters, darf dabei nicht fehlen. Im nahegelegenen Gemeindeamt können nun die Blätter mit den Vorschlägen abgegeben werden. Fidi Ralla und Gunther Bunt, zwei passionierte Theatergeher und beste Freunde, freuen sich schon auf das neue Musiktheater. Die letzten Lenze mussten sie immer zum Tannenwald fliegen, um neue Theater- und Musikproduktionen sehen zu können und der liegt doch eine gute Flugstunde entfernt. Das war immer sehr anstrengend und nervenaufreibend, denn auf der Strecke zwischen Erlen- und Tannenwald herrscht reger Flugverkehr. Sie freuen sich schon sehr, dass nun in ihrer Vogelgemeinde das neueste Theaterhaus entstehen wird. Nächtelang diskutieren die beiden bei Birkensprudel mit Schuss und Haselnussmakronen über den neuen Namen. Sie wollen unbedingt gewinnen und als Ehrengäste auf der Tribüne sitzen. Viktoriatheater, meint Fidi, das heißt in einer anderen Sprache, siegesreich, das würde doch passen. Gunther meint jedoch, dass Gloriatheater, das für Ruhm und Ehre steht, besser passen würde. So diskutieren die beiden Nacht um Nacht hin und her. Bald ist Fidis Birkensprudel mit Schuss aufgebraucht und so muss Gunther seine eiserne Reserve an Holundergärung aus seiner Vorratskammer holen, damit weiteren Diskussionen nichts im Wege stehen würde. Erst am Abend vor Annahmeschluss kommt ihnen die zündende Idee, mit der beide einverstanden sind. Am kommenden Morgen fliegt Gunther mit dem ausgefüllten Blatt zum Gemeindeamt und gibt es noch in letzter Minute ab. Nun müssen die beiden warten bis an der Anschlagtafel der Gemeinde der Gewinner bekanntgegeben wird. Täglich treffen sie sich nun auf einen morgendlichen Haselnussshake, den es auf Knopfdruck im Gemeindeamt zu holen gibt, und warten auf den Aushang. Eines Morgens ist es nun soweit. Fidi sieht schon beim Anflug auf das Gemeindeamt, dass ein neues Blatt aufgehängt wurde. Sie fliegt hin und Gunther, der von der anderen Seite ebenfalls am Anflug ist, denn er wohnt am linken Waldesrand, beeilt sich vor ihr dort zu sein. Fast zeitgleich treffen sie ein und blicken gespannt auf das Blatt. Fidi zwitschert laut vor, die Gewinner sind, taratata, Fidi Ralla und Gunther Bunt. Sie können ihren Augen fast nicht trauen und Gunther zwitschert es noch einmal laut vor. Irrtum ausgeschlossen, meint Fidi, wir haben gewonnen. Sie zwitschern weiter was darunter steht, dass in den nächsten Tagen die Eintrittskarten per Eilflugpost kommen werden und der Bürgermeister ihnen herzlich gratuliert. Augenblicklich fliegen die beiden zu Gunther nach Hause, um den Gewinn mit einem kräftigen Schluck Holundergärung Grand Reserve aus der Lese von vor zwei Jahren zu begießen. Noch zwei Tage bis zur Eröffnung und beide sind schon sehr aufgeregt. Endlich, heute ist der ersehnte Eröffnungstag. Beide putzen sich mächtig heraus und Gunther nimmt sogar sein Monokel mit, damit er alles besser sehen kann, meint er. Fidi weiß aber genau, dass es dafür nur einen Grund gibt, er will schick aussehen und dass da ein Monokel einfach dazugehört, hat ihr Gunther schon bei ihren ersten Theaterbesuchen erklärt. Beim Betreten des Theaters werden sie bereits von Frau von Wahnsinn und dem Vogelscharmeister in Empfang genommen und zu den Ehrensitzen in der vordersten Loge geleitet. Beide bekommen ein Glas prickelnden Espenlaubsaft auf einem Silbertablett serviert . Als alle ihre Plätze eingenommen haben, geht das Licht aus und ein Spot fällt auf die Loge, in der Fidi und Gunther aufgeregt ihr Prickelwasser schlürfen. Hella von Wahnsinn nimmt das Mikrofon, begrüßt ihre Gäste und stellt Fidi und Gunther als die Gewinner und die genialen Köpfe des neuen Namens vor. Der Vogelscharmeister überreicht den beiden die goldene Feder der Gemeinde und mit einem taratata geht der Spot aus und auf der Bühne erscheint der neue Name des Theaters in Leuchtbuchstaben „Opera Vogelsang an der Erle zu Nürnberg“. Heftiges Flügelschlagen im Saal, Spot auf Fidi und Gunther, die mit leicht geröteten Wangen, ob vor Erregung oder vom Prickelwasser weiß man nicht, sich verneigend vom Publikum beklatschen lassen. Der Spot geht wieder aus und das Orchester beginnt mit der Ouvertüre des ersten Aktes der Meisterzwitscherer von Nürnberg und mit Licht auf den knallroten Bühnenvorhang, geht dieser auf und das Stück beginnt.