Unveröffentlichte Episoden aus dem Reiche Himmelblau- Von Schnecken und Glühwürmchen

Schon seit Tagen brutzeln, backen, destillieren, pasteurisieren und gelieren Anton und Börge. In der Vorratskammer der Küche biegen sich bereits die Regale die voll sind mit den allerherrlichsten Köstlichkeiten. König Schnabelfroh hat nämlich Geburtstag und zwar einen Runden. Diesen Tag möchte er so quasi unter sich feiern. Eingeladen wurden natürlich die engsten Verwandten und seine Minister. Nur ein kleines Fest und keine rauschende Gala soll es werden. Trotzdem sind es achtzehn Personen und die wollen reichlich versorgt sein, denn die Feier geht den ganzen Tag über und beginnt bereits mit einem königlichen Frühstück. Schnabelfroh, huldvoll wie er ist hat bestimmt, dass sein Personal ebenfalls mitspeisen dürfte, allerdings etwas abseits der königlichen Gesellschaft. Also noch weitere acht Personen. Im Reiche Himmelblau ist natürlich Staatsfeiertag und es herrscht Ausnahmezustand, eben ein richtiges Volksfest so wie es im Buche steht und schon morgen ist der große Tag. Johannes von und zu Beere hat zu diesem Anlass den Garten meisterlich umgestaltet. Die festliche Tafel soll umringt sein mit den schönsten Hortensien in den Farben königsblau und natürlich rosarot. Dafür hat er gegraben, gepflanzt und wieder gegraben. Der Aufgang zur Eingangshalle ist bereits gesäumt von herrlichen weißen Rosen- und Malvenbüschen. Den Abschluss macht ein aus Weitenruten geformter und mit Efeuranken verzierter Torbogen der am Abend quasi eine Hauptrolle spielen soll. Denn als Geschenk für den König und als besondere Überraschung hat er sich etwas Außergewöhnliches einfallen lassen. Zu diesem Zweck hat er schon Wochen zuvor Laubstreu neben dem Rosatupffischteich ausgelegt und sich von einem Glühwürmchenzüchter Larven besorgt. Dort wachsen nun, versteckt unter der Laubstreu, die Larven heran und sollten genau morgen schlüpfen. Das hat ihm der Züchter versprochen und mit einem schriftlichen Zertifikat garantiert. Die will er einfangen und als krönenden Abschuss am Abend in den efeuberankten Torbogen setzen, als Beleuchtung sozusagen. Er ist fasziniert von seiner Idee, jedoch die Ausführung macht ihm noch etwas Gedanken. So in seine Ausführungen versunken erschrickt er als ihn plötzlich von hinten jemand anspricht. Adam Kuckuck, der herrschaftliche Bote, steht völlig atemlos und aufgeregt jetzt vor ihm. Er berichtet, dass er gerade von seinem französischen Kollegen informiert wurde, sich König Maxime von Dijon zum Fest angesagt hätte und morgen bereits zur Mittagzeit anreisen würde. Hastig fliegt Herr Beere in die königliche Voliere und hat in der Eile ganz vergessen seine Gartenschürze abzulegen. Er klopf heftig an der Tür des Arbeitszimmers und berichtet seinem König über den herrschaftlichen Besuch. Man kann sich gut vorstellen was nun hier los ist. Heide von Röschen muss fünf Zimmer vorbereiten, eines für König Maxime und vier für seine Begleiter, denn ein König reist immer mit einer vierköpfigen Entourage. Anton und Börge werden ebenfalls darüber unterrichtet, dass nun noch weitere sieben Esser zu versorgen sind. Nein Schnabelfroh hat sich nicht verzählt, sieben weitere Gäste, denn nun wird er auch Marga Ritte, die Reporterin der Klatschpresse „Die neue Vogelpost“ und ihren Fotografen Toto Graf einladen müssen, denn über so einen hohen Besuch soll und muss natürlich berichtet werden. Helle Aufregung herrscht im Hause Himmelblau. Rosaschnabel, Finnja und die Mädels wühlen in ihren Kleiderschränken, denn nur das Beste vom Besten muss morgen getragen werden. Anton und Börge überlegen währenddessen was sie denn nun noch zu Ehren des Königs von Dijon zubereiten könnten. Sie schicken nach Badiste von Oiseau, dem französischen Außenminister und Frankreichkenner, um sich von ihm beraten zu lassen. Escargots à L’Alsacienne, also Weinbergschnecken benannt nach dem französischen Landstrich Elsass, wären die Leibspeise des Königs und auf dessen Hof ein absolutes Must, erklärt er. Anton rauft sich die Federn, denn zum Schneckenjagen hatten die beiden nun wirklich keine Zeit. Sie rufen Friedrich und Balduin zu sich und bitten sie sich auf die Jagd zu begeben. Die beiden sind sichtlich erleichtert, denn die Vorbereitungen und das „Was-ziehe-ich-an-Getue“, nervt sie ungemein. Lieber tun was Männer so tun, auf die Jagd gehen. Ausgerüstet mit einem Korb fliegen sie zu der von Anton beschriebenen Stelle, denn dort sollen sich viele Weinbergschnecken täglich zum Mittagsmahl einfinden. Und wahrlich, schon einige Flügelschläge vorher deutet eine dicke Schleimspur auf das Angekündigte hin. Doch so leicht wie es sich die Burschen gedacht hatten ist die Jagd nun doch nicht. Die Schnecken scheinen nicht dumm zu sein, denn sie sind gegen etwaige Jäger gerüstet und haben sich einen Fluchttunnel gegraben. Nur mit äußerster Mühe und List können sie einige Schnecken fangen, beziehungsweise aus ihrem Versteck locken. Mit einem, nicht einmal halbvollen Korb, treten sie den Heimflug an und müssen wohl oder Übel Anton und Börge gegenüber zugeben, dass wohl Fischfang leichter ist als die Schneckenjagd. Peinlich berührt bitten sie die beiden den Vorfall gegenüber den anderen, besonders Florinda gegenüber, denn sie tratscht gerne, nicht zu erwähnen. Anton und Börge sind ziemlich amüsiert und bewahren trotz der geringen Ausbeute die Ruhe. Also gibt es eben nur Schnecken für Maxime, als besondere Ehre für dessen Besuch sozusagen und es wird keinem das kleine Missgeschick auffallen. „Man muss nur wissen wie man das Ganze präsentiert und argumentiert“, zwitschert Börge fröhlich und schnippelt seelenruhig sein Gemüse weiter. Am kommenden Morgen läuft alles am Schnürchen, herrliches Wetter, beste Speisen und eine fröhlich ausgelassene Gesellschaft. Der König von Dijon fühlt sich außerordentlich geehrt, dass ihm zu Ehren Escargots serviert werden. „Nur für mich, welch Ehre König Schnabelfroh, welch Ehre“, zwitschert er gerührt und schnabelt genüsslich die herrlichen Schnecken während die anderen ihn ob seiner eleganten Esstechnik bewundern. Das kleine Glühwürmchenmissgeschick am Abend, denn die Würmchen wollen nicht so wie Herr Beere es gerne gehabt hätte, ist nicht der Rede wert. Mit Oh`s. Ah`s und Beifall klatschend entschwinden die kleinen Tierchen glühend über den Köpfen der anwesenden Gesellschaft in den dunklen Nachthimmel. Marga Ritte kommentiert in der Neuen Vogelpost wie folgt: „das rauschende Fest endet mit einem glühenden, noch nie dagewesenen Sternenhimmel, der selbst König Maxime von Dijon zu Tränen rührte.“

Autor: admin

geboren in Hallein/Salzburg, lebt und arbeitet derzeit in Linz. Malerei, Skulpturen, Ornamentarbeiten, Bücher und Kurzgeschichten

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