Heide von Röschen ist heute schon früher aufgestanden. Sie hat sich gleich ihre bequeme Kleidung und ihre Turnschuhe angezogen, denn es geht wieder einmal mit den Mädels, Finnja und ihrer Hoheit, Königin Rosaschnabel, in die Hauptstadt zum Shoppen. Gähnend absolviert sie ein paar Dehnungsübungen bevor sie in die Küche zu Anton geht, um ihn um ein Kraftfrühstück zu bitten. Anton der bereits mit Börge der königlichen Familie und den Lappeenrantas das Frühstück serviert hatte, sitzt in der Küche und schält Äpfel für die „Tarte des pommes“, den französischen Apfelkuchen, den er den Herrschaften zum nachmittäglichen Snack reichen möchte. Das Rezept hatte ihnen Babtiste Oiseau von der letzten Reise aus Dijon mitgebracht. Fröhlich vor sich hin pfeifend entfernt er gekonnt mit seinem Schnabel die Schalen während Börge bereits den Teig zubereitet. Heide, die so viel gute Laune an so einem Tag sehr schlecht vertragen kann, herrscht sie missmutig an. Die beiden jedoch, die Heides Shoppingabneigung kennen, wissen was in so einer Situation zu tun ist. So meint Anton beruhigend, „Heidchen, Du siehst aber herzallerliebst aus in Deinem neuen Jogginganzug und der passt ja ausgezeichnet zu Deinem blauen Hütchen. Komm setz Dich doch, ich mach Dir etwas Leckeres.“ Heide von Röschen setzt sich geschmeichelt von Antons Worten und klopft nervös mit ihren Flügeln auf den Küchentisch. Während Anton ihr ein Frühstück bereitet eilt Börge in die Vorratskammer. Auch er weiß genau was gegen Röschens Nervosität hilft und holt eine Flasche Kir Royal den die beiden, nur für Notfälle, vom königlichen Vorrat abgezweigt haben und schenkt ihr ein Gläschen ein. „Liebstes Röschen“, säuselt er beschwichtigend, „nehmen sie doch ein Schlückchen, das hilft ungemein“, „und hier das Maistöstchen mit frischer Erdbeermarmelade passt ausgezeichnet dazu und schmeckt vorzüglich“, zwitschert Anton und stellt ihr das Dargebotene direkt unter den Schnabel. Heide trinkt ein Schlückchen und schnabelt schlechtgelaunt den Toast. „Ach du meine Güte“, zwitschert sie erregt, „das kann ja heute wieder etwas werden, ich kenn das schon. Von einem Geschäft in das andere, Tüten über Tüten und Taschen über Taschen. Wenn da nicht mein allerliebster Rupertus wäre, dann hätte ich diesen Job bereits an den Nagel gehängt. Das ist ja eine Zumutung und das mir, in meinem Alter.“ Sie trinkt das Gläschen Kir Royal in einem Zug leer. Börge füllt vorsorglich das Gläschen wieder auf und Anton stellt ihr einen weiteren süßen Toast vor den Schnabel. „Ich sehe es schon vor mir“, blubbert Heide weiter, „zuerst zu „Charles le Main“, um die neueste Taschenlieferung zu begutachten und natürlich auch zu kaufen, dann ins „Neue Federkleid“ und ins „Vollschlankvögelchen“ für Finnja etwas Tolles kaufen und, und, und.“ Heide hat sich in Rage gezwitschert und das zweite Glas bereits ausgetrunken. „Danke, dass Ihr mir zugehört habt“, tiriliert sie jetzt etwas beruhigt und verlässt leicht beschwipst die Küche. Anton und Börge bleiben lächelnd zurück und widmen sich wieder der Zubereitung ihres Kuchens. Währenddessen sind die Mädels, Finnja und Rosaschnabel bereits Abflugbereit und warten schon ungeduldig in der Eingangshalle auf Heide von Röschen. Mit einem hastigen „Ihre königliche Hoheit, stehts zu Diensten“, eilt Heide zu der Shoppingtruppe und los geht es in die Stadt. Röschen hat natürlich recht behalten und die Shoppingabfolge ist so wie sie es sich ausgemalt hatte nur, dass zwischendurch auch noch im Schönheitssalon „Miss Pinkiatessa“ rosa Schnabelbalsam, passender Krallenlack und Federfarbe eingekauft wird. Beladen mit jeder Menge Einkaufstüten und Taschen hastet sie den Shoppingfreudigen hinterher. Als sie dann auch noch den neuen Eissalon betreten, bittet sie Königin Rosaschnabel sich einstweilen entfernen zu dürfen, um sich bei ihrem Rupertus von der schweren Last zu befreien. Sie fliegt eine Straße weiter und betritt die Apotheke ihres Angebeteten, der ihr liebevoll die Tüten abnimmt und ihr sanft über den leicht transpirierenden Schnabel streicht. „Mein kleines Röschen, setz dich doch, Du bist ja ganz außer Atem“, raunt er ihr ins Ohr und bringt ihr ein Gläschen Apothekerrum zur Stärkung. „Kleines, probiere doch meine neueste Erfindung. Den Trunk habe ich letzte Woche mit kräftigenden Kräutern wie Rosmarin, Weißdorn und Ginkgo frisch in hochprozentigem Rum, zwecks der Haltbarkeit, angesetzt, das wird Dich stärken.“ Heide von Röschen trinkt, schüttelt ihre Federn und fühlt sich tatsächlich viel besser. Während sie sich bei Rupertus etwas erholt und sich mit flüssigen Kräutern labt, sind die anderen im neuen Eissalon, dessen Name „Seulement le meilleur“, was so viel heißt wie „Das Allerbeste“, das Versprochene auch hält. Köstlichkeiten über Köstlichkeiten. Ganz besonders fasziniert sind die Mädels über die dreistöckige Torte, die ganz in rosa Zuckerglasur eingehüllt und mit zarten weißen Perlen verziert ist. Die müssen sie unbedingt haben und mit Engelstönen flöten sie Rosaschnabel solange ins Ohr bis sie sich erweichen und die Torte einpacken lässt. Tarja hat ja bald Geburtstag, hatte Florinda gemeint, und das hat schlussendlich Rosaschnabel überzeugt und dazu bewegt die Torte zu kaufen. Als nun Heide von Röschen, ziemlich beschwipst vom morgendlichen Kir Royal und dem Apothekerrum mit Rupertus zurückkommt, ist die Torte bereits in eine Schachtel verpackt und mit einer Trageschnur versehen. Rupertus vollgepackt mit Tüten, Heide von Röschen mit der Tortenschachtel geht es zurück zur königlichen Voliere. Rupertus fliegt ganz hinten, um sein Röschen im Blick zu haben, denn das schlechte Gewissen plagt ihn jetzt doch ein klein wenig. „Der Apothekerrum dürfte wohl etwas zu stark ausgefallen sein“, denkt er und betrachtet sein Röschen die in leichten Schlangenlinien vor ihm hin und her fliegt. Sie haben erst die Stadt hinter sich gelassen als Heide von Röschen spürt, dass ihr heute das Fliegen mit der Last besonders schwerfällt. Ein leichter Schwindel befällt sie und sie kommt ins Trudeln. Trotz aller Bemühungen gegenzusteuern geht es abwärts und sie landet bäuchlings auf dem Tortenkarton liegend, der unter ihrer Last aufgeplatzt ist, in einem Himbeerstrauch. Rupertus eilt ihr zur Hilfe und pfeift den anderen zu anzuhalten. Heide von Röschen ist untröstlich. Die rosa Tortenglasur klebt auf ihrem neuen blauen Trainingsanzug und einige Zuckerperlen haben sich in ihren Flügeln verfangen. Beschämt sieht sie an sich hinunter und entschuldigt sich völlig geknickt bei Rosaschnabel, die nur lächelnd meint, dass sie so als Modetrendsetterin durchaus Furore machen könnte. Die Mädchen machen sich freudig über die Torte her und schnabulieren den Rest. „So viel Spaß und Spannung steckt nicht einmal in einer Kinderüberraschung“, trällert Tarja fröhlich. Rupertus serviert währenddessen Finnja und Rosaschnabel noch ein Gläschen Apothekerrum, den er als Geschenk für die königlichen Herrschaften mitgenommen hatte, genehmigt sich selber einen Schluck und leicht beschwipst fliegen sie zurück zur Voliere wohlweislich den Hintereingang nehmend, damit keiner am Hof die durchaus fröhliche Gesellschaft bemerken kann.