Aus meinem Buch BEONIMUS RABENBEIN erzählt „Seemannsgarn & Küchenlatein“

Spätsommer in Federritz

Die idyllische Stadt Federritz liegt direkt an der Küste Frankreichs. Dort leben Charlotte und Friederike. Sie sind beste Freundinnen schon seit der Schulzeit, denn ihr kleiner Makel pummelig zu sein, hat die beiden schon in der ersten Klasse zusammengeschweißt. „Wir gegen den Rest der Welt“, war und ist ihr Credo. Heute gehören sie zu den bestangezogenen und meist bewunderten Fräuleins der ganzen Stadt. Ihr wohl behütetes Geheimnis ist Fräulein Adele, die ihr Geschäft in einer der schmalen Seitengassen abseits der Shoppingmall ihr Eigen nennt. Mit frisch poliertem Schnabel, gelackten Krallen und auf das Feinste herausgeputzt, ganz Fashionista mäßig, machen sich die beiden auf den Weg. Heute ist der erste Tag des alljährlichen Summer Sale und da ist es ein absolutes Must sich in der Stadt, an der der Seeuferpromenade, sehen zu lassen. Schon ganz früh am Morgen treffen sich die beiden an ihrem angestammten Treffpunkt, denn sie leben circa zehn Flugminuten voneinander entfernt. Charlotte eingehüllt in einen grünen, getupften Jumpsuit mit farblich abgestimmten Accessoires und Friedericke in einem Hauch von rotgefüttertem Netzkleidchen und einer Tasche, die einen frischen Kontrapunkt zu dem Outfit setzen soll. So gestylt und fröhlich zwitschernd fliegen sie in die Stadt. Dort ist noch alles ruhig, nur die Lieferanten sind schon auf dem Weg, um ihre Ware auszuliefern. Sie fliegen über den noch leeren Kirchplatz und biegen in eine kleine, dunkle Gasse ein. Bei einem unscheinbaren Geschäft, das von außen etwas heruntergekommen wirkt, machen sie halt und läuten an der Türglocke. Die Tür öffnet sich und Fräulein Adele, eine schick herausgeputzte Mitvierzigerin, öffnet ihnen freudig lächelnd. Schon beim Eintreten in die prunkvollen Räumlichkeiten bleibt den beiden der Atem stocken, denn auf Regalen, die sich durch die Last der vielen Stoffballen nur so biegen, liegen die prachtvollsten Stoffe. Aus den Laden hängen fein säuberlich aufgereiht, Spitzen und Bänder gefertigt aus unterschiedlichsten Materialien, Farben und Macharten. Die beiden sind wieder einmal überwältigt vor sie viel Fülle, Schönheit und Eleganz, die den Duft der weiten Welt förmlich greifbar machen. Fräulein Adele bietet ihnen, um die beiden etwas zu beruhigen, einige herrliche Wurmsushis, Canapés belegt mit Lachstatar und frische Austern an. Dazu serviert sie ein Gläschen Prosecco zur Entspannung. Fräulein Adele hat sich wieder einmal selbst übertroffen, denn die Stoffe die sie in Italien bei Servace DEM Modedesigner gekauft hat, sind bereits aus der nächstjährigen Sommerkollektion. Charlotte und Friederike erkennen sie sofort, denn in der letzten Ausgabe der Cosmopolitan wurden sie ausgiebig präsentiert. Fräulein Adele nimmt sofort Maß und lobt die beiden, da ihr Hüftumfang unverändert und sie nun sofort mit den schon notierten Maßen ans Werk gehen kann. Vorerst drapiert sie außerordentlich professionell diverse Stoffe um die Körper der beiden und bespricht die Schnitte, natürlich die für die kommende Saison. Ganz im Trend lägen weich fallende Jerseykleider und weite Hosenanzüge, meint sie. Die beiden sind begeistert und Charlotte entscheidet sich spontan für ein Kleid, Friederike, überaus selig, für den Hosenanzug. Während sich Fräulein Adele frisch ans Werk macht, ihre Nähmaschine in Gang setzt und zu nähen beginnt, können sich die beiden fröhlich snackend, an der neuesten Kollektion an Handtaschen von Alfonso die Mano und Schuhen von Gianni di Piede verlustieren. Nach einigen Anproben und weitern Gläschen Prosecco sind die Kleidungstücke fertig. „Ein absolutes Träumchen“, schwärmen die beiden und ausgestattet mit passenden Accessoires verlassen die sie frisch herausgeputzt und äußerst fröhlich den kleinen Laden Adeles. Ein ganzer Monatslohn ist über den Ladentisch gewandert, den sich die beiden vom Urlaubsgeld abgespart haben. Sie fliegen auf den Kirchplatz in Richtung Seepromenade, gerade zur richtigen Zeit, denn die Straßencafé sind bereits gefüllt mit einkaufslustigen Mädchen und deren Verehrer. Man kann sich die erstaunten Gesichter und die offenen Schnäbel der anderen vorstellen, als Charlotte und Friederike betont langsam und vornehm, mit den Schwanzfedern wackelnd, die Promenade entlang stöckeln. Wieder einmal sind sie der Hingucker der ganzen Stadt und Sebastian Fink, Klatschreporter der Stadtzeitung „Federritz aktuell“, kann nicht umhin die beiden posierenden Mädels ins rechte Licht zu rücken. Er fotografiert und notiert sich alle Einzelheiten und die beiden verstehen ihn bei Laune zu halten. Über die Frage, woher sie die wundervollen Kreationen haben, halten sie jedoch still, denn das bleibt ihr wohlbehütetes Geheimnis.

Autor: admin

geboren in Hallein/Salzburg, lebt und arbeitet derzeit in Linz. Malerei, Skulpturen, Ornamentarbeiten, Bücher und Kurzgeschichten

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