Aus meinem Buch BEONIMUS RABENBEIN erzählt „Seemannsgarn & Küchenlatein“

Ferdi der Termitenschreck

Die junge Königin Sofia, von ihrem Volk liebevoll Sofal genannt, hat vier Kinder, Drillinge und Ferdinand, der erst vor kurzem das Licht der Welt erblickt hatte. Alles Jungs, die ihrem Mann König Leo wie aus der Feder geschnitten ähnlichsehen. Zu gerne hätte sie ein Mädchen, denn die ungestümen Jungs halten sie den ganzen Tag auf Trab. An eine Shoppingtour in die nächstgelegene königliche Hauptstadt ist derzeit überhaupt nicht zu denken. Heute ist Montag und ihr Gemahl auf Reichsbesichtigung und Handelsbesprechung, so beschließt sie mit Ferdi, der eigentlich Ferdinand heißt, und den Jungs vor der königlichen Voliere dem Kleinen das richtige Bedienen der Flügel beizubringen. Ferdi ist ganz aufgeregt und flattert heftig flügelschlagend neben den anderen her. Auf diesen Tag hat er schon lange gewartet, denn er will auch endlich mit seinen Brüdern die Umgebung erkunden und nicht tagtäglich mit seinem Kindermädchen Tischdeko basteln, denn das ist die Passion seiner Nanny. Die hatte nämlich vorher die ehrenvolle Aufgabe sich täglich und vor allem bei den höfischen Banketten, um die Tischgestaltung zu kümmern. Diesen Beruf liebt sie mehr und so kommt Ferdi täglich in den Genuss Blätter zu Krönchen zu falten, Zweige mit Blümchen zu dekorieren und Vasen in kunstvolle Gestecke zu verwandeln. Sofia klettert mit ihren Jungs hoch in die erste Etage der Voliere, denn aus dieser Höhe ist es für Ferdi leichter und ein etwaiger Absturz nicht gefährlich. Sie ist guter Dinge, denn das selbe Prozedere hatte sie schon mit ihren Drillingen und das war für sie nicht die leichteste Übung, denn drei wilde Jungs im Auge zu behalten bedarf schon einer ausgeklügelten Logistik. So klettert sie vergnüglich mit ihren Jungs den Ast bis zur ersten Etage hinauf. Dort wo ein besonders biegsamer Ast hinausreicht, denn das ist das Sprungbrett für den kleinen Schwimm- und Fischfangteichteich, den Sofia schon vorsorglich am Vortag hat zudecken lassen, von dort aus soll Ferdi mit seinen Flugübungen beginnen. Zuerst fliegt Tadeus, der älteste der Drillinge weg und landet mit kleinen Pirouetten auf der Wiese neben dem Teich. Dann startet Gustav, fliegt hoch hinauf, um im Sturzflug nach unten zu fliegen, und auch er landet geschickt auf der Wiese. Mit offenem Schnabel beobachtet Ferdi gespannt und aufmerksam seine Brüder. Anschließend flattert der Jüngste der Drillinge Berthold zum obersten Ast der Voliere, fliegt los und segelt gekonnt zu seinen Brüdern auf die Wiese. „Nun du Ferdi“, meint Sofia sanft, „nicht so stürmisch wie deine Brüder. Einfach mit den Flügeln schlagen und dann mit kleinen Flügelbewegungen landen.“ Ferdi trippelt langsam seitlich den Ast entlang bis ganz an dessen Ende. Dort steht er und blickt aufgeregt zu seinen Brüdern nach unten, die ihn unter heftigen Gezwitscher und aufmunternden Worten anfeuern. Ferdi spreizt die Flügel, stoßt sich mit seinen Beinchen ab und fliegt unter heftigem Flattern los. Er fliegt und fliegt und fliegt, bis über die Köpfe seiner Brüder hinweg. Sofia ruft ihm zu nun doch seine Flügelbewegungen zu verlangsamen und endlich zu landen. Doch Ferdi kann vor Aufregung den Befehlszwitscherer seiner Mutter nicht hören. Er flattert so heftig, dass schon seine Flügel langsam zu schmerzen beginnen. An sanfte Landung ist jetzt nicht mehr zu denken. Ferdi schließt die Augen und macht es seinem Bruder Gustav gleich. Er senkt den Kopf, legt seine Flügel dicht an den Körper und im Sturzflug geht’s abwärts. Mit einem lauten Knirschen landet Ferdi unsanft am Boden. Als er die Augen öffnet findet er sich kopfüber mit dem Schnabel in einem Termitenhaufen steckend und natürlich wortlos, was sonst. Gut, dass seine Familie seinen Flugübungen gefolgt ist und ihn gleich gefunden hat, denn um Hilfe zwitschern hätte er in seiner misslichen Lage nicht gekonnt. Sofia zieht ihren Kleinen, unter heftigem Gelächter seiner Brüder, aus dem Haufen und putzt ihm liebevoll seine Kopffedern. „Nicht schlecht für den Anfang“, zwitschert sie und muss sich auch das Lachen zurückhalten. „Du wirst mit Sicherheit ein guter Fischjäger, denn den einzigen Termitenhaufen in der Gegend zu treffen ist auch eine Kunst.“ Noch heftig Prustend fliegen die Fünf zurück zur königlichen Voliere. Ab diesem Tag wird Ferdi von seinen Brüdern nur noch Termitenschreck genannt und Ferdi gefällt das außerordentlich. Jetzt soll doch die Nanny ihre Basteleien selber machen, denkt er sich glücklich, denn er will üben, um der beste Fischjäger im ganzen Königreich zu werden.

Autor: admin

geboren in Hallein/Salzburg, lebt und arbeitet derzeit in Linz. Malerei, Skulpturen, Ornamentarbeiten, Bücher und Kurzgeschichten

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