Unveröffentlichte Episoden aus dem Reiche Himmelblau – Florindas neue Schuhe

Aus dem königlichen Vorgarten hört man lautes Gezwitscher und dazwischen heftiges Pfeifen. Florinda und Tarja lehnen sich neugierig aus dem Fenster, um nachzusehen was denn los sei. Friedrich und Balduin, die verfolgt von Onni, Yanis und Samu, sich gerade mit den Flügeln den Fischblasenball zuwerfend in Richtung Korb bewegen, haben in der Hitze des Gefechtes die frisch gepflanzten Veilchen übersehen. Johannes von und zu Beere hätte vor Aufregung fast seinen Zylinder verloren und ihn gerade noch mit seinem linken Flügel auffangen können. Unter heftigstem Protest und Gefuchtel versucht er die Burschen zurechtzuweisen. Leider zu spät, die kleinen Pflänzchen liegen bereits zertreten am Boden. Heide von Röschen, die der Tumult ebenfalls auf die Terrasse getrieben hat, reicht Herrn Beere ihr besticktes Taschentuch, auch wenn sie nicht immer einer Meinung mit ihm ist, jetzt tut er ihr doch etwas leid. Er lüpft seinen Zylinder und wischt sich den Schweiß von seinem, spärlich mit Federn bewachsenen Kopf und murmelt unverständliche Worte in seinen nicht vorhandenen Bart. Nur zu gut, dass sie keiner verstehen kann, denn seine Wortwahl würde nicht zur höfischen Kontenance passen. Aufgewühlt verlässt er den Vorgarten und geht in Richtung Küche. Dort ist auch Anton und Börge der Wirbel nicht verborgen geblieben und Börge geht wohlweislich schon einmal in die Vorratskammer, um ein Gläschen Seelentröster für Herrn Beere bereitzustellen. Heide von Röschen folgt ihm, denn er hat vor lauter Aufregung vergessen, ihr das Taschentuch zurückzugeben und das kann Röschen gar nicht dulden, denn immerhin war es ein Geschenk von ihrem Angebeteten Rupertus. Florinda und Tarja, denen das Schauspiel im Garten eine willkommene Abwechslung war, ziehen sich wieder gelangweilt auf ihr Zimmer zurück. Sie haben sich heute bereits die Krallen mit rosa Lack bestrichen, ihre Federn und den Schnabel poliert und nun ist es ihnen äußerst öde. Nichts, aber auch gar nichts fällt ihnen jetzt noch ein und so bemalen sie gelangweilt an paar Fischblasen und um die Burschen etwas ärgern zu können, in ihren Lieblingsfarben und da darf rosa natürlich nicht fehlen. Zu Mittag gibt es ein herrliches Mahl, das die beiden Mädchen wieder etwas fröhlicher stimmt. Ganz besonders das Dessert, denn das hat Anton mit rosa Zuckerguss und Silberperlchen verziert, schmeckt nicht nur sondern es gefällt den beiden auch ausgesprochen gut. Danach fliegen sie einträchtig in den Garten, um etwas zu schaukeln und sich gemeinsam zu langweilen. Das ist immerhin noch besser als alleine Löcher in die Luft zu starren. Flügel an Flügel schaukeln sie und betrachten den Himmel, auf dem nicht einmal eine Wolke zu sehen ist und man deswegen auch kein fröhliches Tiere raten inszenieren kann. Alle haben etwas zu tun: die Burschen sind wieder beim Flügelballspielen, Johannes von und zu Beere beim Einsetzen von neuen Veilchenpflänzchen und Heide von Röschen hängt gerade ihr Taschentuch in die Sonne das sie vorher in Rosenwasser gewaschen hatte. „Ach wie gerne würde ich Flügelballspielen, alleine um es den Burschen einmal zu zeigen. Auch wenn wir möglicherweise keinen Reichsapfel werden tragen dürfen und darum diese Übungen nicht benötigen, sind wir doch keine schlechten Spielerinnen“, schnabelt Florinda missmutig und fordert Tarja auf sie in ihr Zimmer zu begleiten, um sich den Tag mit ein paar Glitzersteinchen zu verschönern. Als sie die Eingangshalle erreichen sehen sie Ilger Ränzel, der sich mit Röschen unterhält und der zwei Päckchen unter den Flügel geklemmt hat. Rasch fliegen sie zu ihnen und Florinda fällt Ilger vor Freude überschwänglich in die Flügel. „Hallo Ilger! Das ist aber schön, dass Du uns besuchen kommst und Du hast uns offensichtlich etwas mitgebracht,“ trällert Florinda auf die Päckchen zeigend. Ilger, der kein großer Redner ist, nickt nur höflich und gibt ein Päckchen Florinda und eines Tarja. „Oh wie schön, rosa Schuhe!“ zwitschert Florinda ausgelassen. „Seit wann macht ihr auch Schuhe“, meint sie überrascht zu Ilger. „Seit wir Dich besser kennen“, antwortet Ilger belustigt. „Mein Großvater hat es mir gezeigt. Der erlernte dieses Handwerk wiederum von seinem Vater. Nur mein Vater wollte kein Schuster werden und darum ist er Taschner geworden.“ Tarja findet in ihrem Päckchen eine rosarote Hüfttasche mit einem extralangen Gurt, „wegen Deines etwas üppigeren Hüftumfanges“, erklärt Ilger kurz aber höflich. Fröhlich springen die beiden umher und die Langweile scheint verflogen zu sein. Tarja hat ihre Tasche bereits umgeschnallt und Florinda trägt stolz ihre neuen Schuhe. Sie hüpft und tanzt gemeinsam mit Tarja wie ein kleiner Wirbelwind durch die Eingangshalle. „Der Absatz ist super, ich hatte noch nie so hohe Absätze. Mit denen kann ich sicher gut Flügelballspielen, denn die geben mir bestimmt halt in der weichen Erde. Lasst sie uns einmal ausprobieren“, trällert Florinda und ist auch schon in ihrem Zimmer verschwunden. Zurück kommt sie mit einer rosalilafarbenen Fischblase. „Kommt spielen! Wir zeigen es den Jungs“, pfeift sie und schon ist sie draußen. Eifrig jagt sie mit ihren hochhackigen Schuhen dem Ball hinterher und die beiden folgen ihr. Ilger ist ihr dicht auf den Fersen und der Ball in greifbarer Nähe, doch Florinda schießt ihn mit einem gekonnten Kopfball ins Netz. Nur zu dumm, dass sie den kleinen Hügel übersehen hat, stolpert und bäuchlings vor dem Korb landet. Alle lachen und klatschen Beifall. Florinda erhebt sich ganz Prinzessin mäßig, richtet ihr Krönchen zurecht, verneigt sich den Beifall sichtlich genießend und der Tag ist gerettet.

Autor: admin

geboren in Hallein/Salzburg, lebt und arbeitet derzeit in Linz. Malerei, Skulpturen, Ornamentarbeiten, Bücher und Kurzgeschichten

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