Kurzgeschichte aus meinem Buch „BEONIMUS RABENBEIN“ Klatsch und Tratsch

Malgorzata Kranichovskaja

An der Ostseeküste, dort wo der Fluss Oder in das Stettiner Haff mündet, lebt Malgorzata. Ein herrlicher Ort für Wasservögel, denn es gibt Süß- und Salzwasser, wenn man Wasser mag. Malgorzata mag es nicht, naja, mit den Füßen bis maximal zu den Knöcheln, das geht, aber mehr kann sie sich nicht vorstellen. Sie findet das Wasser kalt und vor allen Dingen zu nass. So hatte sie schon lange beschlossen, sich hauptsächlich vegetarisch zu ernähren, denn da muss sie nicht ins Wasser gehen. Manchmal gibt es Froschschenkel, falls ihr einmal ein Frosch aus lauter Übermut vor den Schnabel springt. Sie hat nicht viele Freunde bei den Langstelzern, da sie auch nicht schwimmen kann. Malgorzatas Freunde sind Schwalben und Stare, denn denen ist ihre Eigenheit gar nicht peinlich. Das Leben mit ihren Freunden an der Ostseeküste macht Malgorzata grundsätzlich Spaß, wenn da nicht immer der kalte Wind wäre. Wahrscheinlich liegt ihre Kälteempfindlichkeit daran, dass ihr Vater ein Storch war, und sie deshalb etwas anders ist, als die anderen Kraniche. Nach langer, langer Planung beschließt Malgorzata eines schönen Herbstages, noch bevor es zu kalt werden würde, in eine wärmere Region zu ziehen. Schon lange liebäugelt sie mit Florida, denn dort soll es das ganze Jahr über warm sein, das haben ihr so einige Zugvögel im Vorbeiflug zu gezwitschert. Über ein Jahr lang hat sie schon ihre Reise vorbereitet, heimlich, denn sie wollte nicht, dass ihr das Vorhaben von ihren Freunden wieder ausgeredet wird. Sie hat sich das Buch Zwitschern in Florida leicht gemacht besorgt, die Sprache gelernt und sich über die Reiseroute genauestens informiert. So packt sie ihre sieben Sachen in einen Rucksack und macht sich eines Morgens ganz früh auf den Weg. Malgorzata kann zwar nicht schwimmen, aber sehr gut und ausdauernd fliegen. Sie hat sich bei den Zugvögeln genau erkundigt, wo sie Rast machen und ihre Vorräte auffüllen kann. Nun ist es endlich soweit. Sie kritzelt mit ihrem Schnabel eine Nachricht an ihre Schilftür, denn sie will nicht, dass sich ihre Freunde Sorgen um sie machen und startet ihre lange Reise. Es sind fast achttausendundvierhundert Kilometer bis Miami Beach, denn das ist ihr genaues Ziel. Von Polen bis an die französische Küste ist es leicht, denn es gibt viele Rastplätze. Schwierig wird es erst dann, wenn sie von der Westküste Frankreichs über das große Meer fliegen muss. Dort kann sie erst wieder auf den Azoren haltmachen, einer Inselgruppe, die im ersten Drittel der Wegstrecke über den großen Ozean liegt. Ihr Plan ist, ein Monat in einer kleinen Stadt an der französischen Westküste zu verbringen, um Kraft zu tanken. So fliegt sie also in die westfranzösische Stadt. Dort haben sich viele Zugvögel versammelt, die sich ebenfalls nochmals ausrasten und ihre Vorräte auffüllen. Sie bieten Malgorzata an mit ihnen in der Schar mitzufliegen, weil es so sicherer für sie wäre, meinen sie. So erreicht Malgorzata in der großen Vogelschar sicher die Azoreninseln. Nach ein paar Tagen Rast und ausgiebigem Essen fliegen sie weiter zu den Bahamas, von dort aus werden es nur noch 90 Meilen bis an die Südspitze Floridas sein. Von hier aus muss nun Malgorzata alleine fliegen, denn die Vogelschar fliegt eine ganz andere Route. Sie ist aufgeregt, denn jetzt ist sie auf sich alleine gestellt. Sie verabschiedet sich flügelschlagend bei den anderen, füllt ihre Vorräte auf und macht sich auf den Weg. Sie hat von den anderen gelernt, wie man die Thermik und den Wind für sich nutzt, um so Energie und Kraft zu sparen. Alleine ist es natürlich viel schwieriger, da man nicht im Windschatten der anderen fliegen kann. Doch Malgorzata hat Glück und der Wind steht gut. So erreicht sie schlussendlich ohne Schwierigkeiten Key West, die südlichste Spitze Floridas. Weiter über die Everglades, wo sie auf keinen Fall Rast machen will, denn sie sieht schon von oben riesige Alligatoren, die sich in der Sonne räkeln, deshalb geht es direkt weiter nach Miami. Bald erreicht sie Miami Beach, ihr erklärtes Ziel. Sonne, Strand und Meer. Sonne und Strand hätten Malgorzata genügt, Meer müsste nicht sein, aber es ist herrlich warm hier. Am Strand tummeln sich die Möwen und versuchen bei jeder Welle die von ihr auf den Strand gespülten Muscheln zu ergattern. Das ist gut, denkt sie Malgorzata, da brauch ich mir nur die Füße nass zu machen, mehr nicht, und ich habe delikates Essen in Hülle und Fülle. Sie sucht sich eine nette leerstehende Behausung am Strand und richtet sich häuslich ein. Die laute moderne Vogelkolonie mit all den luxuriös ausgebauten Vogelnestern, gefällt ihr. Zuerst will sie sich ausruhen, um dann am kommenden Morgen nach außergewöhnlichem Strandgut zu suchen und ihre Behausung etwas aufzupeppen. Die Nacht war leider kurz, denn der Lärm der Nachtschwärmer ist für sie noch gewöhnungsbedürftig. Sie stolziert am nächsten Morgen, etwas müde jedoch hoch motoviert, den Strand entlang und findet so allerhand Nötiges und Unnötiges, das die Menschen am Vortag liegengelassen hatten. Einen Hut, Muscheln, eine Plastikschaufel, Sonnencreme, rosa Kinderbadeschlappen, ein Eimerchen, 2 kleine Sandförmchen, ein glitzerndes Fußkettchen mit einem rosafarbenen Stein, das bestens zum Hut mit dem rosa Blümchen passt und einen Schwimmreifen in Entenform. Sie nimmt auch den Schwimmreifen mit, denn wer weiß, vielleicht braucht sie ihn noch für irgendetwas, denkt Malgorzata. Sie bringt alles nach Hause und baut und mauert mit Eimerchen, Schaufel und Förmchen bis sie fertig ist. Schön ist es geworden mein Zuhause und ganz schön heiß ist mir geworden, denkt Malgorzata und schaut schwitzend auf ihr neues Zuhause. An der Ostseeküste war es nie so heiß, ganz im Gegenteil, sie ist diese tropische Hitze ganz und gar nicht gewohnt und zum ersten Mal beneidet sie die anderen, die sich wellenschaukelnd im Wasser tummeln. Ihr Blick fällt auf den Schwimmreifen mit Entenkopf. Sieht sicher lächerlich aus, ein Vogel braucht einen Vogel zum Schwimmen, was werden sich die anderen denken, überlegt sie. Kurz entschlossen nimmt sie den Schwimmreifen, setzt sich ihren Hut mit dem rosa Blümchen gegen die Sonneneinstrahlung auf und stolziert mutig in Richtung Strand. Eine kleine Abkühlung tut mir sicher gut und während sie in Richtung Wasser schlendert, denkt sie sich, dass sie bei so vielen bunten Vögeln mit Sicherheit nicht auffallen wird, legt den Schwimmreifen auf die Wasseroberfläche und setzt sich darauf.

 

Kurzgeschichte aus meinem Buch „Beonimus Rabenbein“ Klatsch und Tratsch

Gunther Bunt und Fidi Ralla

Auf einer Waldlichtung, im Erlenwäldchen nahe von Nürnberg, gehen die Arbeiten am neuen Musiktheater rasch voran. Frau Theaterdirektorin Hella von Wahnsinn hat vor einem Jahr das alte, schon sehr in die Jahre gekommene Theater übernommen und beschlossen, es auf den neuesten Stand zu bringen. So musste die Bühne vergrößert und im Zuge dessen ein neuer Schnürboden installiert werden. Minimum zehn verschiedene Bühnenbilder müssen abseits der Drehbühne, die ebenfalls neu gebaut wurde, möglich sein. Neue Scheinwerfer und Bühnentechnik sowieso. Und weil sie schon dabei ist, wurden auch noch die Zuschauertribünen erweitert und neue, mit goldenem Brokat überzogene Theatersessel besorgt und eingebaut. Ein Orchestergraben darf auch nicht fehlen, denn wenn man schon in der Nähe von Nürnberg ein Theater führen darf, sollte unbedingt auch die Möglichkeit für Opernaufführungen gegeben sein, meint Hella. Zwei Monate vor Eröffnung startet Hella von Wahnsinn einen Aufruf an alle Vögel des Waldes. Ein neuer Name muss gefunden werden, denn sie findet den alten Namen, Orpheum unterm Erlenbaum, ziemlich abgeschnabelt. In Verbindung mit einem Preisausschreiben, ist das auch die beste Werbung für das neue Musiktheater, denkt sich Hella, denn sie hat schon fast das gesamte Budget ausgegeben. So beauftragt sie den bekannten Countertenor Russel Nightingale, er beherrscht 260 unterschiedliche Zwitschertypen von benachbarten Vögeln, zum Wettbewerb aufzurufen. Als Gewinn winken zwei Eintrittskarten für die Neueröffnung und den Saisonstart. Gespielt wird natürlich standesgemäß „Die Meisterzwitscherer von Nürnberg. Hella von Wahnsinn hat eine Jury aus Vogelgrößen der Bereiche Werbung, Kunst, Kultur, Musik und Politik zusammengestellt. Auch der Vogelscharmeister, als großer Unterstützer des neuen Musiktheaters, darf dabei nicht fehlen. Im nahegelegenen Gemeindeamt können nun die Blätter mit den Vorschlägen abgegeben werden. Fidi Ralla und Gunther Bunt, zwei passionierte Theatergeher und beste Freunde, freuen sich schon auf das neue Musiktheater. Die letzten Lenze mussten sie immer zum Tannenwald fliegen, um neue Theater- und Musikproduktionen sehen zu können und der liegt doch eine gute Flugstunde entfernt. Das war immer sehr anstrengend und nervenaufreibend, denn auf der Strecke zwischen Erlen- und Tannenwald herrscht reger Flugverkehr. Sie freuen sich schon sehr, dass nun in ihrer Vogelgemeinde das neueste Theaterhaus entstehen wird. Nächtelang diskutieren die beiden bei Birkensprudel mit Schuss und Haselnussmakronen über den neuen Namen. Sie wollen unbedingt gewinnen und als Ehrengäste auf der Tribüne sitzen. Viktoriatheater, meint Fidi, das heißt in einer anderen Sprache, siegesreich, das würde doch passen. Gunther meint jedoch, dass Gloriatheater, das für Ruhm und Ehre steht, besser passen würde. So diskutieren die beiden Nacht um Nacht hin und her. Bald ist Fidis Birkensprudel mit Schuss aufgebraucht und so muss Gunther seine eiserne Reserve an Holundergärung aus seiner Vorratskammer holen, damit weiteren Diskussionen nichts im Wege stehen würde. Erst am Abend vor Annahmeschluss kommt ihnen die zündende Idee, mit der beide einverstanden sind. Am kommenden Morgen fliegt Gunther mit dem ausgefüllten Blatt zum Gemeindeamt und gibt es noch in letzter Minute ab. Nun müssen die beiden warten bis an der Anschlagtafel der Gemeinde der Gewinner bekanntgegeben wird. Täglich treffen sie sich nun auf einen morgendlichen Haselnussshake, den es auf Knopfdruck im Gemeindeamt zu holen gibt, und warten auf den Aushang. Eines Morgens ist es nun soweit. Fidi sieht schon beim Anflug auf das Gemeindeamt, dass ein neues Blatt aufgehängt wurde. Sie fliegt hin und Gunther, der von der anderen Seite ebenfalls am Anflug ist, denn er wohnt am linken Waldesrand, beeilt sich vor ihr dort zu sein. Fast zeitgleich treffen sie ein und blicken gespannt auf das Blatt. Fidi zwitschert laut vor, die Gewinner sind, taratata, Fidi Ralla und Gunther Bunt. Sie können ihren Augen fast nicht trauen und Gunther zwitschert es noch einmal laut vor. Irrtum ausgeschlossen, meint Fidi, wir haben gewonnen. Sie zwitschern weiter was darunter steht, dass in den nächsten Tagen die Eintrittskarten per Eilflugpost kommen werden und der Bürgermeister ihnen herzlich gratuliert. Augenblicklich fliegen die beiden zu Gunther nach Hause, um den Gewinn mit einem kräftigen Schluck Holundergärung Grand Reserve aus der Lese von vor zwei Jahren zu begießen. Noch zwei Tage bis zur Eröffnung und beide sind schon sehr aufgeregt. Endlich, heute ist der ersehnte Eröffnungstag. Beide putzen sich mächtig heraus und Gunther nimmt sogar sein Monokel mit, damit er alles besser sehen kann, meint er. Fidi weiß aber genau, dass es dafür nur einen Grund gibt, er will schick aussehen und dass da ein Monokel einfach dazugehört, hat ihr Gunther schon bei ihren ersten Theaterbesuchen erklärt. Beim Betreten des Theaters werden sie bereits von Frau von Wahnsinn und dem Vogelscharmeister in Empfang genommen und zu den Ehrensitzen in der vordersten Loge geleitet. Beide bekommen ein Glas prickelnden Espenlaubsaft auf einem Silbertablett serviert . Als alle ihre Plätze eingenommen haben, geht das Licht aus und ein Spot fällt auf die Loge, in der Fidi und Gunther aufgeregt ihr Prickelwasser schlürfen. Hella von Wahnsinn nimmt das Mikrofon, begrüßt ihre Gäste und stellt Fidi und Gunther als die Gewinner und die genialen Köpfe des neuen Namens vor. Der Vogelscharmeister überreicht den beiden die goldene Feder der Gemeinde und mit einem taratata geht der Spot aus und auf der Bühne erscheint der neue Name des Theaters in Leuchtbuchstaben „Opera Vogelsang an der Erle zu Nürnberg“. Heftiges Flügelschlagen im Saal, Spot auf Fidi und Gunther, die mit leicht geröteten Wangen, ob vor Erregung oder vom Prickelwasser weiß man nicht, sich verneigend vom Publikum beklatschen lassen. Der Spot geht wieder aus und das Orchester beginnt mit der Ouvertüre des ersten Aktes der Meisterzwitscherer von Nürnberg und mit Licht auf den knallroten Bühnenvorhang, geht dieser auf und das Stück beginnt.